Krakau #2
Stadt und Umgebung
Krakau ist sehr schön und insbesondere für Studenten sehr attraktiv, da dort sehr viele Studenten leben. Fast sämtliche Freizeit- und Abend-Aktivitäten finden in der Altstadt oder im jüdischen Viertel statt. Innerhalb der Altstadt ist alles fußläufig erreichbar. Fast alle Cafés, Restaurants, Bars und Clubs konzentrieren sich in der Altstadt und dem jüdischen Viertel. Es stehen jedoch auch Leihfahrräder der Stadt sowie gute Bus- und Bahnverbindungen zur Verfügung. Kosten für den ÖPNV sind viel niedriger als in Deutschland, ein Semesterticket für Studenten kostet ca. 50 Złoty (12 Euro) für das gesamte Semester.
Auch sonstige Lebenshaltungskosten und das abendliche Ausgehen sind deutlich günstiger. Für Studenten, die nicht an der AGH, im wesentlichen eine Technische Universität, an welcher ich im vorherigen Semester studiert habe, studieren, ist der Campus der AGH ein zusätzlicher „Geheimtipp“. Insbesondere im Sommer trifft man dort im Park zwischen den Studentenwohnheimen (Miasteczko Studenckie AGH) täglich zu jeder Tages- und Nachtzeit einheimische Studenten und Erasmusstudenten an. Für mich hat sich dort ein erheblicher Teil des Nachtlebens abgespielt.
Polen ist auch im Allgemeinen kulturell sehr interessant. Im Bezug auf den Alltag in den Städten sind die kulturellen Unterschiede zu Deutschland jedoch eher gering. Insbesondere Krakau ist auf der einen Seite eine sehr internationale Stadt, auf der anderen Seite jedoch auch noch ganz klar eine typisch polnische Stadt. Ich habe die Polen insgesamt als sehr offen, nett und hilfsbereit erlebt, insbesondere die polnischen Studenten. Diesbezüglich gab es jedoch auch gegensätzliche Berichte anderer Studenten, insbesondere aus südlichen bzw. muslimischen Ländern.
Die Stadt ist inzwischen definitiv meine Lieblingsstadt, insbesondere aufgrund des dortigen Lebensgefühls. Aus diesem Grund habe ich an mein erstes Erasmus-Semester dort unmittelbar ein zweites angehängt und sogar über ein drittes Semester in Krakau, welches aufgrund meiner besonderen Studienkonstellation höchstwahrscheinlich möglich gewesen wäre, nachgedacht.
Für Krakau spricht auch die Möglichkeit, viele andere europäische Ziele gut und günstig von Krakau aus erreichen zu können. Zum einen gibt es viele günstige Flüge mit WizzAir oder Ryanair von den Flughäfen Krakau oder Katowice (mit dem Bus in ca. 2 Stunden ab Krakau zu erreichen) in viele europäische Städte. Zum anderen sind auch viele Ziele in Ost- und Mitteleuropa mit dem Bus oder Zug gut erreichbar.
Mein persönlicher Tipp ist eine Reise in die Ukraine (nach Lviv und/oder Kiew). Insbesondere Lviv ist von Krakau aus gut mit dem Zug erreichbar. Mit dem Zug muss man einmal in der südöstlichen polnischen Kleinstadt Przemyśl nahe der ukrainischen Grenze umsteigen. Die Stadt verfügt über eine sehr schöne Altstadt, sodass sich ein paar Stunden Aufenthalt dort sehr lohnen. Nach Kiew gibt es günstige Flüge. Zwischen Kiew und Lviv kann man gut mit dem Zug (Tagzug oder Schlafzug über Nacht) reisen. Die Grenzkontrollen sind mit dem Zug oder Flugzeug unkompliziert und zügig. Mit dem Bus sind im Extremfall bis zum 12 Stunden Wartezeit einzuplanen. Ich bin einmal zu Fuß über die Grenze von der Ukraine wieder nach Polen eingereist, wobei die Wartezeit nur wenige Minuten betrug (an einem Montagmorgen). Die ukrainischen Städte sind anders als viele westliche Städte noch nicht so touristisch überlaufen. Aber Achtung: Für die Einreise in die Ukraine wird ein Reisepass benötigt, jedoch kein Visum. Viele Erasmusstudenten reisen viel herum (meist in kleinen Gruppen).
Erwähnenswert ist auch, dass Krakau nicht weit von Zakopane in den Bergen liegt. Dort sind schöne Wanderausflüge und im Winter auch sehr günstiger Wintersport möglich.
Sprache/sprachliche Vorbereitung
Außerhalb des universitären Umfelds ist eine Kommunikation auf Englisch teilweise nur sehr eingeschränkt möglich. Polnische Studenten sprechen in der Regel mindestens mittelmäßig Englisch, sehr oft jedoch auch ausgezeichnet Englisch. Ältere Personen sprechen oft fast gar kein Englisch. Zumindest ein paar Grundkenntnisse der polnischen Sprache sind oftmals hilfreich, aber notfalls geht es immer auch ohne.
Die UJ bietet vor Beginn der Semester jeweils einen Crash-Kurs für Polnisch an. Ich habe meine Sprachkenntnisse zunächst durch einen A1-Kurs an der RUB und später durch „Learning by Doing“ während meines einjährigen Aufenthaltes erlernt. Grundkenntnisse lassen sich auf zweitgenannte Weise definitiv erlangen, wenn ein entsprechendes Interesse und Bemühen vorliegt. Ein vorbereitender Sprachkurs ist sicherlich hilfreich, insbesondere auch für das kulturelle Verständnis. Erforderlich ist ein Sprachkurs aber definitiv nicht.
Es werden viele englischsprachige Module für Erasmusstudenten angeboten. Teilweise werden auch Module in anderen Sprachen (Deutsch, Russisch, Ukrainisch, Französich, Spanisch, …) angeboten. Wer über ausreichende Polnischkenntnisse verfügt, kann auch auf polnische Module zurückgreifen.
Unterkunft
Ich habe insbesondere aufgrund der benötigten Ruhe für meine gleichzeitige Werkstudententätigkeit in einer kleinen Wohnung etwas außerhalb des Zentrums im Stadtteil Bronowice, nicht weit von der Universität AGH, gewohnt. Es bestand jedoch eine sehr gute ÖPNV-Verbindung zur Altstadt (ca. 12 Minuten Tram-Fahrt zur Haltestelle Teatr Bagatela). Für einen sehr ähnlichen Preis wären auch WG-Zimmer in oder nahe der Altstadt oder dem jüdischen Viertel verfügbar gewesen. Die Zustände in den Studentenwohnheimen würde ich als mindestens gewöhnungsbedürftig bezeichnen, dafür sind diese jedoch äußerst günstig.
Ankunft/Erste Woche
In der ersten Woche wird eine sogenannte Orientierungswoche mit vielen verschiedenen Veranstaltungen (Informationsveranstaltungen, kulturelle Veranstaltungen, Stadtführungen, Ausflüge, Partys, Bowling, etc.) vom örtlichen Erasmus Student Network organisiert. In dieser Woche kann man sich gut in Krakau einleben und viele andere Erasmusstudenten kennenlernen. Langeweile ich im Grunde ausgeschlossen.
Die Ankunft am Flughafen Krakau war ebenfalls immer unproblematisch. Von dort gibt es eine direkte Busverbindung in die Stadt (bis zum Hauptbahnhof). Außerdem sind Taxis oder Fahrdienste wie Uber in Polen äußerst günstig. Von der Sprache, den Preisen und der Währung abgesehen ähnelt der Alltag hinsichtlich alltäglicher Erledigungen (z. B. Einkaufen) sehr dem deutschen.
Tipp zur Anreise mit dem Flugzeug: Es lohnt sich, auch die Flugpreise zum Flughafen Katowice zu überprüfen. Von dort gibt es Direktverbindungen mit Reisebussen (z. B. FlixBus) nach Krakau, Fahrzeit ca. 2 Stunden, Preis i. d. R. weniger als 10 Euro. Bei Anreise mit Ryanair vorher die Bestellung einer ESN-Karte in Betracht ziehen (s. U.).
Fächerauswahl
Grundsätzlich lassen sich alle angebotenen Fächer über die Online-Plattform USOS einsehen und auswählen. Zusätzlich wird von den Erasmuskoordinatoren der meisten Fakultäten der UJ eine Excel-Tabelle mit speziell für Erasmus-Studenten angebotenen oder empfohlenen Fächern bereitgestellt.
Grundsätzlich empfehle ich, die „Erasmus-Module“ zu belegen. Zum einen sind diese hinsichtlich der sprachlichen und inhaltlichen Voraussetzungen auf den Umstand, dass verschiedene Studenten aus verschiedenen Ländern unterschiedliche Vorkenntnisse (sprachlich, methodisch und inhaltlich) mitbringen, angepasst. Außerdem sind die Prüfungsanforderungen und der Arbeitsaufwand für diese Module in der Regel (es gibt Ausnahmen) äußerst gering, dadurch bleibt mehr Zeit zum genießen des typischen Erasmuslebens.
Auch sind die Dozenten in diesen Fächern auch hinsichtlich organisatorischer Probleme (Fristen, Prüfungstermine, etc.) deutlich flexibler und gehen auf typische Probleme für Erasmus-Studenten ein (z. B. Terminkollisionen mit Reisen oder besondere Anforderungen der einzelnen Heimatuniversitäten). Ein Kommilitone bekam beispielsweise von der Heimatuniversität für die Anerkennung die Auflage, dass nur schriftliche Prüfungen mit einer Mindestlänge von 90 Minuten anerkannt werden. Daraufhin hat die Dozentin eines Moduls für diesen Studenten eine Extraprüfung, welche eben jene Anforderung erfüllte angeboten. Auch stehen oftmals mehrere Prüfungstermine zur Auswahl.
Nach meiner Erfahrung gibt es kaum Module, welche im rechtswissenschaftlichen Studium zum Staatsexamen in Deutschland anerkannt werden. Man „verliert“ folglich im Zweifel ein Semester. Meiner Meinung nach sind die gewonnenen Erfahrungen diesen „Preis“ jedoch mehr als wert.
Nachfolgend meine kurzen Anmerkungen zu den gewählten Modulen (aus meinem Erasmus-Bericht an das International Office kopiert):
European Private International Law: Hauptinhalt ist die Gerichtszuständigkeit und das anwendbare Recht in verschiedenen Feldern des Privatrechts innerhalb der EU aufgrund verschiedener EU-Rechtsakte. In den Vorlesungen wurden teilweise recht komplizierte Fälle bearbeitet, die Klausur war jedoch einfach zu bewältigen (Durchfallen kommt praktisch nicht vor). Die Dozentin war sehr engagiert und nett. Das Modul wird an der juristischen Fakultät der RUB nicht anerkannt.
Introduction to Polish Administrative Law: Entgegen des Namens des Moduls wird im wesentlichen polnisches Staatsorganisationsrecht behandelt. Die Dozentin (Richterin am obersten Gerichtshof Polens) ist ebenfalls sehr engagiert. Die Prüfungsleistung besteht aus einem kurzen Referat über das heimische Staatsorganisationsrecht (in Grundzügen und im Zweifel in Gruppen) und einer kurzen und sehr einfachen mündlichen Prüfung (3 Fragen pro Person). Das Modul wird an der juristischen Fakultät der RUB nicht anerkannt.
Judical Cooperation in Criminal Matters in EU: Es geht im wesentlichen um Auslieferungsverfahren beziehungsweise den europäischen Haftbefehl. Die Dozentin ist Richterin an einem polnischen Strafgericht und ebenfalls sehr engagiert. Es besteht Anwesenheitspflicht, welche jedoch sehr kulant gehandhabt wird. Es gibt keine dedizierte Prüfungsleistung. Die Endnote wird aufgrund der Beteiligung in den Seminaren berechnet. Die Notenvergabe erfolgt äußerst großzügig. Das Modul wird an der juristischen Fakultät der RUB nicht anerkannt.
Refugee Law: International, European and Polish: Der Name beschreibt den Inhalt im Grunde sehr treffend. Zur schriftlichen Prüfung wurden zuvor 12 Fragen bereitgestellt. Von diesen standen in der Prüfung 3 zur Auswahl. Der Student kann davon eine wählen und beantworten. Das Modul wird an der juristischen Fakultät der RUB nicht anerkannt.
Sonstige Eindrücke
Die Lebenshaltungskosten in Krakau sind deutlich geringer. In Kantinen der Universitäten oder sogenannten „Milchbars“ (Bar Mleczny), typisch polnischen Kantinen, ist ein Mittagessen oft für (teilweise deutlich) weniger als 10 Złoty erhältlich. Das Semesterticket für das Stadtgebiet kostet 50 Złoty pro Semester und eine Einzelfahrt kostet mit Studentenrabatt gegenwärtig 1,70 Złoty. Ein Bier (0,5 l) ist sogar in manchen Kneipen in der Altstadt für ca. 5 Złoty erhältlich. Für Clubs wird oftmals ebenfalls kein Eintritt verlangt. Wenn doch ein Eintrittspreis verlangt wird, liegt dieser ebenfalls bei etwa 10 Złoty. Als Student (50% Rabatt) kann man manchmal sogar Zugtickets quer durch Polen für 20 Złoty bekommen.
Aber Vorsicht: Für Studentenrabatte werden oft nur polnische Studentenausweise anerkannt. Teilweise wird auch die ISIC-Karte anerkannt, dies wiederum manchmal nur bei polnischen Staatsbürgern. Dies sollte im Einzelfall überprüft werden. Erasmusstudenten erhalten jedoch bei den meisten Universitäten kurz nach Ankunft einen polnischen Studentenausweis. Bei mindestens einem Museum habe ich sogar einen offiziellen „Ausländeraufschlag“ für die Tickets für nicht-polnische Staatsbürger gesehen.
Für Rabatte empfehle ich auch dringend die Bestellung einer ESN-Karte (ESN: Erasmus Student Network). Mit dieser kann man viele Rabatte erhalten, unter anderem bei FlixBus und Ryanair. Wer mit Ryanair anreist sollte die Bestellung sogar schon vor Ankunft in Betracht ziehen, da man mit der ESN-Karte auf 8 Ryanair-Flügen im Jahr kostenlos ein 20-Kg-Gepäckstück aufgeben kann. Dies muss jedoch schon bei der Buchung bestellt werden und das Ticket muss einige Wochen vor Abflug gebucht werden.
Anzumerken ist, dass die örtlichen ESN-Sektionen an den großen Universitäten in Krakau sehr aktiv und groß sind. Dadurch werden auch während des Semesters viele Veranstaltungen für Erasmus-Studenten angeboten. Die „ESNer“ stehen den Erasmusstudenten auch bei allen möglichen Problemen gern und hilfsbereit ehrenamtlich(!) zur Seite.
Wer von Polen ausgehend außerhalb der EU reisen möchte, sollte daran denken, dass dafür oft ein Reisepass benötigt wird. Zum einen ist die Ukraine wie oben beschrieben gut und günstig erreichbar und zum gibt es in jedem Semester eine organisierte Reise nach St. Petersburg. Diese Reise war zwar visumsfrei (für 3 Tage), jedoch ist auch für Russland zwingend ein Reisepass erforderlich. Ich habe mehrere Studenten getroffen, welche an dieser Reise teilnehmen wollten, jedoch in Ermangelung eines Reisepasses nicht konnten. Deutsche Staatsbürger können dieses jedoch zur Not im Generalkonsulat in der Krakauer Altstadt beantragen.
In Polen kann man fast überall auch Kleinstbeträge mit Karte bezahlen. Es jedoch trotzdem gut, immer ein bisschen Bargeld mitzuführen, da es auch ein paar Ausnahmen gibt. Für Kartenzahlungen und Geldabhebungen in Polen kann ich den Dienst Revolut (eine Art Prepaid-Kreditkarte) sehr empfehlen. Als Alternative sind Barüberweisungen auch in Postfialen gegen eine geringe Gebühr möglich.