Lisabon #2
Stadt und Umgebung
Lissabon ist eine wirklich tolle Stadt und hat meiner Meinung nach eine tolle Größe. Es gibt überall etwas zu entdecken und man kann eigentlich überall, wenn man etwas Zeit mitbringt, zu Fuß hinlaufen. Es gibt auch eine Bikesharing-App der Stadt Lissabon, die sehr erschwinglich ist, auch wenn man Lissabon jetzt nicht unbedingt als Fahrradstadt im Kopf hat, gibt es gute Radwege auf den wichtigsten Strecken. Ich bin zß immer mit dem Fahrrad zur Uni gefahren, was von meiner Wohnung aus knapp 20 Minuten gedauert hat. In der Umgebung gibt es unzählige tolle Ziele für Tages oder
Mehrtagesausflüge. Obwohl das Land recht klein ist, gibt es landschaftlich unglaublich viel her. Wer gerne mal wandert, hat hier unbegrenzte Möglichkeiten! Außerdem ist die Stadt voll von niedlichen Cafes und kleinen Restaurants. Es gibt viele Coworking-Spaces in Cafes, was vor allem mit vermehrtem Homeoffice und guten Wetter eine schöne Abwechslung zum eigenen Schreibtisch war.
Sprache/sprachliche Vorbereitung
Ich habe an der RUB im SoSe 2019 einen Sprachkurs Al/A2 in brasilianischem
Portugiesisch gemacht, der Folgekurs ist leider nicht zustande gekommen.
Europäisches Portugiesisch wird, da es einfach nicht so viele Sprecher hat, leider kaum
angeboten. Die Sprechweisen sind sehr unterschiedlich, gerade die Aussprache und
einige grammatikalische Sachen. Für einen Grundstock an Vokabeln und eine grobe
Idee von der Sprache ist auch brasilianisches Portugiesisch völlig ausreichend.
Das Angebot englischsprachiger Vorlesungen ist recht groß, weshalb
Portugiesischkenntnisse auch nicht nötig sind. Auch im täglichen Leben kommt man
mit Englisch sehr gut zurecht.
Vor Ort habe ich einen intensiven Portugiesischkurs gemacht (16 Stunden wöchentlich),
der von der Faculdade da Letras angeboten wurde, da ich großes Interesse daran habe
fließend Portugiesisch zu lernen. Diesen Kurs musste ich allerdings selbst bezahlen.
Für Erasmusstudierende wird auch ein Abendkurs angeboten, der gegen eine
Anmeldegebühr von 75 Euro belegt werden kann und über das ganze Semester
zweimal wöchentlich für zwei Stunden stattfindet.
Die Qualität der Kurse ist wirklich gut und für Menschen, die Interesse an der Sprache
haben, würde ich die Kurse der FLUL auf jeden Fall empfehlen.
Unterkunft
Meine Unterkunft habe ich über Uniplaces gefunden, dann aber privat gebucht. Ich habe
ein Zimmer für 450 Euro mit eigenem Bad im ,lndy Hause‘ gemietet. Das war so eine
Mischung aus WG-Leben, da man sich zu fünft eine Küche geteilt hat und aus
Wohnheim, da im ganzen Haus, vier solcher WG’s sind und man sich gemeinschaftlich
einen Garten und ein Wohnzimmer teilt. Ich war sehr zufrieden damit, vor allem am
Anfang, weil ich wirklich nette Mitbewohner:innen hatte. Jedoch hat zum Ende hin der
Eigentümer, und damit auch das Management, gewechselt. Danach wurde es eher
anstrengend dort zu leben, da eine ziemliche Versessenheit auf Hausregeln herrschte.
Während wir vorher mal ab und zu mal im kleineren Kreis abends noch etwas
getrunken und Musik gehört haben, wurde bei dem neuen Eigentümer penibel darauf
geachtet, dass die Ruhezeiten ab 10 Uhr abends (auch am Wochenende) eingehalten
wurden. Generell war das neue Management auch einfach unfreundlich. Deshalb würde
ich es jetzt wohl nicht weiterempfehlen. Man findet aber auf Uniplaces oder idealista
gut etwas. Ansonsten gibt es auch facebook Gruppen in denen man recht leicht eine
WG finden kann. Ich habe im Stadtteil Arroios (lntendente) gewohnt und später noch
zwei Monate in Alfama. Beides sehr unterschiedliche Stadtteile aber beide auf jeden
Fall empfehlenswert! Generell würde ich empfehlen nicht zu nah an der Uni zu
schauen, sondern lieber etwas in Richtung Innenstadt/ Altstadt zu ziehen. Da ist es
einfach schöner und ,uriger‘ und die Uni ist mit der Metro oder dem Fahrrad meist super
zu erreichen.
Ankunft/Erste Woche
Meine erste Woche war eine ziemliche Katastrophe, da die Organisation von Seiten des
Erasmus-Office hier katastrophal war. Uns wurde in einer Zoom erklärt, wie man sich
für Kurse einschreibt (was wir später niemals machen mussten) und ein langer aber
inhaltsloser Willkommens-Vortrag vom Dekan gehalten. Das war es an Informationen.
Dann wurde gesagt, dass die Vorlesungen jetzt aber noch nicht losgingen und man auch
noch nicht wüsste, wann das der Fall sein würde – man schreibe uns dann eine E-Mail,
wenn es soweit wäre. Teilweise haben die Vorlesungen erst einen Monat nach
Semesterbeginn gestartet. Eine Vorlesung fing aber schon an demselben Tag der
Willkommensveranstaltung an, was jedoch keine:r wusste von den anwesendem
Mitarbeiter:innen des Erasmus-Office. Ich erspare mir hier Einzelheiten aber die
Organisation war wirklich katastrophal und das Erasmus-Office auch wirklich keine
Hilfe sondern eher unfreundlich, wenn man Fragen gestellt hat. Auf Emails wurde im
Durchschnitt auf jede Fünfte geantwortet, das war am Ende ein richtiger Running Gag
unter uns Erasmus Studierenden„ Mein Highlight war, dass zwei der Mitarbeiter:innen
des Erasmus-Office nur Portugiesisch sprachen und man sich dann mit Google
Übersetzer verständigen durfte, wenn man von ihnen Hilfe benötigte.
Ansonsten hatte ich aber eine schöne erste Woche und habe mich mit Komiliton:innen
auf einen Cafe und auch mal ein Bier getroffen, um ein paar Leute kennenzulernen. Da
alle gleich verloren waren bei Ankunft und quasi keiner Hilfe vom Erasmus-Office, hat
man sich dann untereinander ausgeholfen wie zB Semestertickets zu bekommen sind
und was der Hochschulsport anbietet.
Hier aber auch einen großen Dank an das ZFI, was im Vergleich dazu mit Erreichbarkeit
und Unterstützung wirklich geglänzt hat. Sobald ich eine Frage hatte, konnte ich
jemensch telefonisch oder per Mail immer erreichen und habe mich von Zuhause aus
wirklich gut beraten und unterstützt gefühlt, vor allem auch im Vorlauf zum
Erasmussemster, wo lange vieles unklar war, wegen der Covid-Situation. Gleiches gilt
für das International Office der RUB.
Fächerauswahl
Zunächst hatte ich vier Kurse an der juristischen Fakultät gewählt und zusätzlichen
einen Portugiesisch Kurs für Erasmusstudierende. Es hat sich jedoch recht schnell
abgezeichnet, dass die Kurse, die auf Englisch angeboten werden, qualitativ meistens
sehr schlecht sind und man dort eher seine Zeit absitzt. Das fand ich sehr schade, da
ich mich darauf gefreut hatte endlich mal ein ganzes Semester nur für Europa- und
Völkerrecht zu haben, welches mich sehr interessiert. Genauso hatte ich jedoch den
Wunsch die portugiesische Sprache vernünftig zu lernen und habe mich deshalb
entschieden einen sehr intensiven Portugiesischkurs an der Uni zu machen (16
Wochenstunden über vier Monate). Diesen musste ich selbst bezahlen (1.260 Euro), der
Kurs war allerdings wirklich wirklich gut und sehr darauf ausgerichtet kommunikativ
die Sprache zu lernen. Außerdem waren hier die Dozentinnen um einiges engagierter
und motivierter.
An der juristischen Fakultät habe ich dann nur ,das Nötigste‘ an Kursen belegt, und
zwar:
UN organizational law – Grundlagen der Organisation und Entstehungsgeschichte der
Vereinten Nationen – sehr oberflächlich, Informationen gingen nicht über das hinaus,
was ich in der 10. Klasse in Sozialwissenschaften schon mal über die UN gelernt habe.
Zudem war das Englisch der Dozentin schlecht. Es wurden nur 4 Vorlesungen von ihr
gehalten, danach fanden nur noch Referate der Teilnehmer:innen statt.
Public International Law 1 – Grundlagen des Völkerrechts – Dozent ist nur an 5 von 10
Terminen erschienen, wenn er denn da war dann grundsätzlich mindestens 20 Minuten
zu spät. Die Vorlesungen, die stattfanden waren von bescheidener Qualität und
beschränkten sich auf Vorlesen aus einem Lehrbuch oder Vorträge von Studierenden.
Meine Vorlesungen fanden fast vollständig in Präsenz statt, allerdings in deutlich
kleineren Gruppen, als es in Deutschland üblich ist (10-30 Teilnehmer:innen)
Sonstige Eindrücke
Abgesehen von dem etwas ernüchternden Start an der Universität, habe ich mein Auslandssemster wirklich genossen. Ich habe unglaublich viele Dinge erlebt und nette Menschen kennengelernt. Trotz Covid und (mittlerweile) strengem Lockdown gibt es in Lissabon vieles zu erleben, wenn man sich auf die etwas andere Situation einstellt. Man kann viele Tagesausflüge in die Natur machen und viele historische Sehenswürdigkeiten in und um Lissabon entdecken. Meine Sorge, dass es schwer würde aufgrund von Covid andere Erasmusstudierende kennenzulernen, war völlig unbegründet. Es waren zwar weniger Leute hier als normalerweise, aber das sind bei Weitem genug, um Menschen zu finden mit denen man Dinge unternehmen kann und Zeit verbringen kann. Dadurch, dass die typischen Erasmus Dinge, wie zB Partys, wegfallen, und man sich eher in den gleichen/kleineren Gruppen bewegt, schließt man deutlich engere Freundschaften und lernt die Leute richtig kennen, was mir wirklich gut gefallen hat. Ich kann Lissabon als Ziel wirklich jede:m ans Herz legen und würde sagen, dass die ganze Pandemie das Auslandssemester sicherlich verändert aber sich
nicht zwingend schlechter macht, solange man gesund bleibt und sich auf ein paar Änderungen einlässt (die man ja zuhause aber so oder so auch hat zurzeit). Außerdem ist ein vorübergehender Lockdown bei 8-9 Sonnenstunden am Tag einfach besser aushaltbar als bei Nieselregen und fünf Grad.